Ich behaupte, dass wir schon von klein auf ein Gespür dafür haben, auf welches Ritual wir bereit sind uns einzulassen. Bereit? Bereit, weil es etwas ureigenes in uns anspricht. Etwas das uns wichtig ist, uns interessiert.
Dann, funktionieren Rituale. Erfüllen ihren ‘Zweck’, sind Wirkungsstark.
Es gilt also, den eigenen Bezug zu etwas zu erkennen, um ihn dann im Spiel, im Ritual, in der Gewohnheit, wiederzufinden und zu stärken. Oft können andere uns dabei helfen – sie erkennen was uns zu interessieren scheint, und bieten uns Ideen, Vorschläge, laden uns ein. Das kann sehr bereichernd sein, wenn wir uns darauf einlassen (wollen, können). Wenn der Moment passt.
Ich denke das Kauderwelsch entsteht, wenn wir nicht mehr fragen und einladen, sondern vorwegnehmen – wenn wir (weil wir erfahrener, mächtiger sind?) den Bezug anderer Menschen zu dem was wir wollen als gegeben voraussetzen, oder uns garnicht erst dafür interessieren. Wenn wir versuchen andere in ein Ritual hineinzuzwängen. Wenn wir deren Haltung von “ja, ich finde das wichtig, und ja, ich erkenne und finde es in diesem Ritual wieder” nicht einladen, abwarten, anerkennen als wichtigen Teil des Rituals.
Ich bin bestimmt nicht die erste die das sagt, aber es ist mir wichtig und scheint (für mich, und meine Umgebung) nicht immer selbstverständlich.
Es ist ja auch schwierig. Könnte man meinen.
Auf einer bestimmten Form, Art und Weise, Moral zu beharren, zu bestehen, scheint auf den ersten Blick ‘einfacher’ – leichter, unkomplizierter, direkter. Zielführender.
Ist das so?
Wenn wir jemanden zwingen (können), befolgt der/die unsere Vorstellungen von Grenzen, richtig/falsch. Aber ist das der Sinn der Sache? Kommen die konkreten Vorstellungen nicht von einer tieferen Idee, von Dingen die für uns Bedeutung haben. Um die geht es. Die entstehen aber immer wieder neu, können nur dynamisch, in konkreter Situation leben. Ich denke am Ende kommt es darauf an. Auf die Qualität vom ‘endlosen Ritual’. Dass wir aus ureigenem Sinn für etwas tun, durchführen, praktizieren. Und das geht nun mal “nur so” – aus freien Stücken, jede/r über den ureigenen Weg.
Warum also Umwege gehen, ausgetretene Wege vorschreiben, mit Macht, blinder Autorität, Gewalt?
Manchmal ‘kann man nun mal nicht anders’. Ok. Aber wenn man gerade kann?
Ich mag es, Rituale gemeinsam am Leben zu halten. Diesen Unterdrücker-Reflex zu bemerken, innezuhalten. Abwarten, dass das gerade Wichtige sich klarer zeigt. Und erst dann, darauf Bezug nehmen. Auf das worum es einem ureigentlich geht. ((Nicht auf die bestimmte Form des Rituals)).
Aus dieser ‘gelebtes Ritual’-Perspektive sind Irritation und Unterdrückung Symptome eines ‘toten Rituals’ – die irritierte Person hat den Bezug verloren zu dem worum es ihr geht. Und das stört. Angemessen wäre es, den Bezug wiederzufinden. Zuerst in sich selbst. Dann mit anderen, sogar dem irritierend Anderen. Vielleicht teilt man das Ureigene gar? Kann ein gemeinsames Ritual entwerfen und leben, damit dieses gemeinsam Wichtige andauert, bleibt.
Jedenfalls will ich Orten und Menschen meine Zeit und Aufmerksamkeit schenken, die mir diesen Moment erlauben – ups, da hab ich wohl grad gedacht es müsste so sein, dabei kann ich eigentlich nur fragen und den Rest seinen Teil dazu beitragen lassen. Umgebungen die mich zum Üben einladen – es zu bemerken wenn ich den Bezug zu mir verliere, dann zuzuhören, den Kontakt wiederzufinden. Vielleicht tue ich es dann irgendwann ganz automatisch. Auch an Orten und im Gespräch mit Menschen, wo dieses bemerkende Innehalten eher so garnicht Gang und Gebe ist.
Sie scheint mir garnicht so kompliziert, die Idee vom gelebten Ritual.
Man braucht nur anerkennen – dass das passiert ((Unterdrückung des Anderen, aus Hilflosigkeit/Mangelndem Kontakt dem Ureigenen gegenüber)), dass es entscheidend ist ((für unser verspieltes Zusammenleben in Ritualen und Gewohnheiten)), und dass es in meiner Möglichkeit liegt, da dann jetzt kurz innezuhalten und das “Sein machen zu lassen”.
Das Sein machen lassen? Ein Gedanke ist mir schon oft (angenehm) über den Weg gelaufen. Er sagt: dieses denkende Ideen-erlebende und umsetzende Ich – es kann nur so viel tun. Den für es nicht greifbaren Rest immerzu greifen zu wollen, oder in Angst davor zu erstarren, ist weder angenehm noch notwendig. Solange ich das stärke, was mich ausmacht – meine Sinne, meine Präsenz, mein Gespür für das was ich alles sein kann, die Vielfalt die mich umgibt und berührt – habe ich “alles getan”, meinen Beitrag geleistet. Den Rest macht der Rest. Darauf kann ich vertrauen. Sonst verliere ich mich eh nur im Fokus auf Dinge die sich (für mich) nicht fokussieren lassen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag?
Nun könnte man wieder meinen, “also da bin ich dann lieber nicht so berührbar, da wird’s ja nur kompliziert, wenn ich alles anerkennen soll, was mich berührt”. Aber die Dinge berühren uns. Ob wir sie anerkennen oder nicht. Der Vorteil beim Anerkennen ist, dass wir weniger Umwege gehen. Weniger komplett widersinnige Entscheidungen treffen, weil wir das was uns berührt und umgibt eben wahrnehmen können.
Es ist wohl ein Fraktal-Gedanke – ein Muster auf das ich immer wieder stoße, in scheinbar unterschiedlichen Situationen.
Er sagt: Wirkungskraft kommt vom Bezug zu den Dingen und sich selbst.
Den Dingen, in sich selbst? Durch sich? Jedenfalls ist die Fähigkeit sich Ruhe zu gönnen, in Kontakt zu gehen und zuzuhören, und lebendig zu sein in verschiedenster Hinsicht, für mich der Schlüssel 🙂
Wie unsere Ritual-Landschaft sich wohl entwickelt, wenn wir uns reichlich solcher Übungsplätze bauen?
Was brauchen wir dafür? ((Voraussetzungen))
Wie kann das konkret aussehen? ((Erfahrungsberichte, Werkzeuge, Ideen))
Annika Lübbert, Februar 2021